Das Dorf

Eigentlich ist Wilhelmsaue gar kein richtiges Dorf, eher ein kleiner gesellschaftlicher Kern mit (ehemaliger) Schule, Kirche, Bockwindmühle und Gasthaus inmitten weitläufig verteilter Einzelgehöfte und Kleinstsiedelungen, den Loosen. Diese entstanden überwiegend ab 1810 bis in die 1890er Jahre im Zuge der Separation von Gutsflächen. Viele Bauern bauten Ihre Gehöfte auf der zugelosten eigenen Scholle, den Loosen. Mehr Infos finden Sie u.a. hier.

Aufgebene, verfallene  aber auch liebevoll wieder aufgebaute Loose und die Alleen zu ihnen prägen neben den Ackerflächen und den Fließen die Landschaft. Sie sind nicht nur Inseln der menschlichen Besiedlung, sie sind auch Inseln einer breiten und interessanten Fauna und Flora, in einer vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Region mit einem sanften Tourismus.

Im Umfeld haben sich viele Künstler niedergelassen, um Kraft und Inspiration für ihre kreative Arbeit zu tanken. Berlin, Frankfurt Oder und Eberswalde sind geographisch nahe und doch so unheimlich weit entfernt. Hier gibt es einen weiten Himmel und man kann einfach IN RUHE GELASSEN GENIESSEN.

Wilhelmsaue zieht kreative Menschen an, die etwas besonderes vorhaben. Sie spielen Theater, machen Musik, gestalten, malen, drechseln, töpfern, schreiben oder tun, was immer in der Stille des Oderbruchs besser geht, als im hektischen Stadtgewühl. Sie kommen gern zusammen, wenn auf der kleinen Bühne im Gasthaus Theater gespielt, getantzt oder musiziert wird. Sie öffnen Ihre Ateliers während der Kunst-Loose-Tage und veranstalten zweimal im Jahr den Wilhelmsauer Kunstmarkt in der Fachwerkkirche.

 

Historisches

Link zur Karte von 1920
Karte von 1920

Wilhelmsaue ist vor fast 250 Jahren als Vorwerk des königlichen Amtes Wollup im Zuge der Erschließung des Oderbruchs entstanden und war bis 1974 eine selbstständige Gemeinde. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Staatsdomäne Wollup sollten zwei Vorwerke angelegt werden, und zwar Wilhelmsaue und Kienitz. 1722 begann die Rodung von Strauch und Buschwerk im vorgesehenen Gelände von Wilhelmsaue. Der Aufbau des Vorwerkes erstreckte sich über die Jahre 1724 bis 1726. Da das Gelände zu diesem Zeitpunkt noch nicht trockengelegt war, mussten zum Schutz des Vorwerkes Gräben ausgehoben und Dämme aufgeschüttet werden. Wegen der damit verbundenen Kosten blieb die räumliche Ausdehnung des Vorwerkes recht beschränkt. Trotz aller Vorkehrungen wurde das Terrain 1730 und 1736 überschwemmt und bei einem Dammbruch am 20. Mai stand auch das Amtsvorwerk Wilhelmsaue unter Wasser. Der ehemalige Pfarrer und preußische Kammerrat Friedrich Wilhelm Noeldechen schlug vor, die Vorwerke zu parzellieren und die von den Untertanen nur widerwillig ausgeführte Fronarbeit in die interessantere Tagelöhnerarbeit umzuwandeln. Dem Antrag wurde zugestimmt und Noeldechen nahm die Aufgabe in Angriff.

Zur Eigenversorgung mit Baumaterial ließ er eine Ziegelei errichten, teilte 2370 Morgen in 53 Baustellen auf und übernahm selbst eine. Viele Siedler kamen aus den Rheinprovinzen. 1796 waren einige Hofstellen noch unbesetzt sowie das Schul- und das Bethaus noch nicht errichtet. Durch weitere "Fördermaßnahmen" des preußischen Staates wurde Wilhelmsaue ein selbständiges, lebendiges Dorf mit Kirche, Schule, Gasthof, Schmiede, Bockwindmühle und dem Müllerhaus.

Wilhelmsaue blieb von Zerstörungen durch Krieg und Hochwasser nicht verschont. Während der schweren Kriegshandlungen im April 1945 wurden viele Gehöfte zerstört. Der Deichbruch im Jahre 1947 und das dadurch ausgelöste Hochwasser war für viele  Oderbrücher ein weiterer schwerer Schlag. Für die meisten Menschen in der Region, die noch an der Beseitung der gröbsten Kriegsschäden arbeiteten, bedeutete dies, abermals neu zubeginnen. 50 Jahre später, im Jahre 1997, entgingen die Menschen im Oderbruch nur knapp einer drohenden Hochwasserkatastrophe. Hunderte Helfer und Soldaten der Bundeswehr "stemmten" sich tagelang gegen die Überflutung durch die Wassermassen der Oder und verhinderten heroisch ein Durchbrechen oder Überspülen des aufgeweichten Deiches und damit eine Katastrophe, die für das Oderbruch schlimmste Folgen gehabt hätte.

Der Bruchboden ist sehr fruchtbar und brachte schon immer gute Erträge. Im Volksmund wurde das Oderbruch der "Gemüsegarten" Berlins genannt. Zu DDR-Zeiten war die Landwirtschaft die Haupterwerbsquelle für die Bevölkerung. Allerdings wurden in dieser Zeit von staatlicher Seite die Siedlungsstruktur des Oderbruchs zunehmend vernachlässigt. Auch Wilhelmsaue versank mehr und mehr in einen Dornröschenschlaf, ehe im Jahre 1990 ein neu gegründeter Verein das Dörfchen wieder wachküsste. Was seit dem passiert, ist kein Märchen.